Gemeinsam mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin (DSO) unter Leitung von Constantin Trinks hat Michael Korstick an vier Tagen im September 2023 im Berliner Teldex Studio die beiden Klavierkonzerte von Johannes Brahms aufgenommen. Das eingespielte Team Korstick-Trinks knüpft mit dieser Produktion an die sehr erfolgreiche Einspielung sämtlicher Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven an, die 2022 erschienen war. Die Brahms-Konzerte wurden an vier Tagen im Berliner Teldex-Studio aufgenommen, in acht zweistündigen Sitzungen, davon etwa zwei Drittel Spielzeit, insgesamt gut 600 Minuten. Die beiden Konzerte zusammen dauern 100 Minuten.
Die neue Doppel-CD wird im Frühjahr 2024 beim Label hänsslerCLASSIC erscheinen.
Hier sehen Sie ein Video von der Aufnahme in Berlin.
„Ohne diese beiden Werke wäre mein musikalisches Leben schlicht nicht denkbar“ (Michael Korstick)
Die beiden Konzerte für Klavier und Orchester von Johannes Brahms nehmen in der Entwicklung des Solokonzerts im 19. Jahrhundert – insbesondere durch ihre wechselvolle Rezeptionsgeschichte – eine Sonderstellung ein und zählen heute zu den Gipfelwerken dieses Genres.
Michael Korstick schildert die Entstehung der beiden Werke:
Als der junge Brahms Anfang der 1850er Jahre mit seinen ersten größeren Kompositionen das Rampenlicht suchte, tobte in der musikalischen Welt ein Glaubenskrieg um Fragen der Form, der Harmonik sowie der Bedeutung der Programmmusik. In dieser Dekade kristallisierten sich allmählich zwei konträre und im Grunde unversöhnliche Parteien heraus, zum einen die „Konservativen“ aus dem Dunstkreis des von Felix Mendelssohn-Bartholdy gegründeten Leipziger Konservatoriums mit den Protagonisten Clara Schumann und Joseph Joachim, zum anderen die Gruppe der „Zukunftsmusiker“ um Franz Liszt und Richard Wagner, die sich ab 1859 den von Franz Brendel geprägten Begriff der „Neudeutschen Schule“ auf die Fahnen schreiben sollten. Der noch nicht 20-jährige Brahms, ein aufstrebender Pianist, aus kleinen Verhältnissen in Hamburg stammend, hatte naturgemäß mit diesen ästhetischen Auseinandersetzungen noch herzlich wenig zu schaffen. Seine eigenen vollgültigen Erstlingswerke, die Klaviersonaten Opus 1 und 2 sowie das Scherzo in es-moll Opus 4, sind bei aller Individualität stilistisch und formal durchaus noch an Beethoven angelehnt und fest in der klassischen Harmonik verwurzelt. Lediglich im auffallend kompakten Klaviersatz finden sich charakteristische Neuerungen. Der junge Komponist folgte also zunächst ganz einfach seiner inneren Stimme, unabhängig von irgendwelchen Strömungen.
So ist es durchaus folgerichtig, dass Brahms im Sommer 1853 – noch vor seinem 20. Geburtstag – begeistert die Gelegenheit wahrnahm, auf Vermittlung der befreundeten Geiger Eduard Reményi und Joseph Joachim (welcher trotz seiner jungen Jahre bereits hochberühmt war), nach Weimar zu reisen, um dort die Bekanntschaft des von ihm als Klaviervirtuosen hochverehrten Franz Liszt zu machen, nicht zuletzt in der Hoffnung, mit Liszts Unterstützung einen Verleger für seine Werke zu finden. Dieser Besuch stand allerdings unter keinem guten Stern, da Brahms angeblich in übermüdetem Zustand, jedenfalls äußerst nervös und angespannt in Weimar ankam. So geschah es, dass er auf Liszts freundliche Aufforderung, etwas vorzuspielen, sich dazu außer Stande erklärte. Liszt nahm daraufhin mit den Worten „Nun, dann werde ich wohl selbst spielen müssen“ die Manuskripte seines Besuchers zur Hand und spielte das es-moll-Scherzo und Teile der C-Dur-Sonate vom Blatt, machte ein paar lobende und kritische Bemerkungen, unternahm aber letztlich nichts, um Brahms bei der Suche nach einem Verleger zu unterstützen. Sicher überliefert ist übrigens, dass Liszt bei dieser Gelegenheit dann seine neue Sonate in h-moll vorgespielt hat. Dass Brahms hierbei eingeschlafen sein soll und es darüber zum Bruch zwischen den beiden gekommen sei, dürfte allerdings ins Reich der Legende zu verweisen sein, blieb Brahms doch weitere zwölf Tage in Weimar und erhielt von Liszt zu seinem Abschied in allen Ehren ein silbernes Zigarettenetui mit gravierter Widmung (die seinen Namen irrtümlich „Brams“ buchstabierte).
Brahms hegte zwar nach wie vor größte Bewunderung für den Pianisten Liszt („Wer Liszt nicht gehört hat, kann eigentlich gar nicht mitreden. Er kommt zuerst, und dann nach ihm eine gute Weile gar niemand. Sein Klavierspiel war etwas Einziges, Unvergleichliches und Unnachahmliches.“), konnte jedoch mit Liszts Musik wenig anfangen und kam für sich zu dem Schluss, dass er in diesen Kreis ganz einfach nicht hineinpasste und auch nicht hineinpassen wollte. Aber wenige Monate später sollte es dann auf Joachims Drängen zu dem schicksalhaften Besuch bei Robert und Clara Schumann in Düsseldorf kommen, von dem sich Brahms nach der Erfahrung in Weimar zwar kaum etwas erwartet hatte, der aber dann sein Musikerleben in neue Bahnen lenken sollte. So bleibt es ein faszinierendes Gedankenspiel zu spekulieren, welche Gestalt die Klavierkonzerte von Brahms angenommen hätten, wäre seine Begegnung mit Franz Liszt anders ausgegangen!